Tränen am Arbeitsplatz

Tränen am Arbeitsplatz

Seit einiger Zeit lief es in der Praxis nicht mehr so wie ich es mir vorgestellt habe. Ich ging schon schlecht gelaunt zur Arbeit, habe dazu noch schlecht geschlafen und andere Sorgen. Eine neue Kollegin hatte angefangen und an Türen gelauscht, Unwahrheiten verbreitet und das gesamte Team aufgemischt. Und dann passierte es. Gleich am Morgen pamte sie mich an, weil irgendwas nicht nach ihren Wünschen richtig lief und schwupps…. meine Tränen kullerten vor Wut. Ich konnte nicht mehr an mich halten.

Du lässt deinen Gefühlen freien Lauf. Tränen am Arbeitsplatz. Kannst und darfst du so ohne weiteres dein Innenleben nach Außen kehren und deine Gefühlswelt offenbaren?

Sind Gefühlsausbrüche in der Praxis OK?

Zu diesem Zeitpunkt war es egal für mich.

Es kommt immer wieder vor das wir uns Fragen: sind wir mit dem was wir machen zufrieden? Ist das was wir machen das Richtige? Ist man den Aufgaben gewachsen? Was läuft verkehrt? Suchen wir die Schuld immer bei den anderen oder hinterfragen wir uns selbst auch?

Für die Praxis ist es wichtig dem Patienten und Kunden gegenüber Harmonie, perfekte Organisation und vor allem Kompetenz auszustrahlen. 100% Souveränität also. Sonst wird der Eindruck vermittelt das Chaos und Unkenzentration vorherrschen.

Doch was passiert, wenn Patienten eine in Tränen aufgelöste Mitarbeiterin oder Streit zwischen den Kollegen mit der ganzen Wucht mitbekommen. Das war in dem Fall bei mir Gott-sei-Dank nicht passiert.

Was ist das Beste in der Situation? Habt ihr das schon mal im Team besprochen? Wenn nicht ist es allerhöchste Zeit die Kommunikation, die zu solchen Gefühlsausbrüchen beiträgt, zu regeln.

Doch was kannst du als erstes tun um deine eigene Gefühlswelt, besonders vor den Patienten in den Griff bekomme? Zuerst zieh dich kurz zurück und hole tief Luft, atme durch. Nimm deine eigenen Gefühle war.

Sind es Konflikte in der Praxis, werden diese nicht durch spontane und unkontrollierte Wutausbrücke geregelt. Im Regelfall hilft eine Nacht drüber schlafen und wie Oma schon immer sagte: „Morgen sieht die Welt viel besser aus“. Damit können die eigenen Emotionen kontrolliert werden, ob diese angemessen waren. Und man hat Zeit sich mit besseren Argumenten vorzubereiten. Wenn es zu einer Aussprache unter Kollegen kommen sollte niemals Wörter wie

  • alle
  • jeder
  • immer

benutzen.

Ist also der Ärger im Job zu finden durch ständige Überstunden, Frust mit Kollegen, den Patienten – die immer stressiger werden….

Dann muss sich das Arbeitsklima ändern

Es ist wichtig das der Arbeitgeber weiß, wenn jemand sich unwohl fühlt. Wenn es Situationen gibt, die dich regelmäßig zum Weinen bringen.

In einer Studie gaben 41 Prozent der Frauen an, dass sie schon mal bei der Arbeit geweint haben. Bei den Männern waren es, laut eigenen Angaben, nur neun Prozent.

Ein Grund sich damit zu beschäftigen. Wenn gar nichts mehr geht ist es auch wichtig einen Rückzugsort zu finden. Um sich zu sammeln und Luft zu holen. Es sei wichtig zu vermitteln, dass es okay ist zu weinen, dass die Emotionen raus müssen und dass man sich dafür die Zeit nehmen darf. Ein Taschentuch oder ein Glas Wasser zu reichen, hilft um schneller runter zu kommen. Im Nachhinein sollte aber geklärt werden, woran es lag. Erst dann kann eine Lösung für das Problem gesucht werden, damit sich die Situation verbessert. Prinzipiell sind also Tränen Boten unseres Körpers, die uns zeigen, dass etwas nicht stimmt. Es muss sich was ändern. Es kann also zu einer positiven Veränderung führen, wenn man seine Tränen nicht hinter der Toilettentür versteckt.

Doch verwechsle niemals die professionelle mit der privaten Ebene, den Emotionen haben nicht zu jeder Zeit ihren Platz. Manchmal geht es nicht darum, ob ich weinen muss sondern wann.

Ergo – natürlich gehören Emotionen mit zum Leben.

Freude, Wut, Ärger, Aufregung passieren nicht nur zu Hause. Aber private Probleme beeinträchtigen die Arbeitskraft und Einzelheiten gehören weder an die Anmeldung noch ins Behandlungszimmer vor dem Patienten. Verlegt solche Problem-Gespräche mit den Kollegen in die Mittagspause, wenn die Praxis ganz geschlossen ist. Es ist wichtig, dass Emotionen ihren Raum finden und dass sie nicht ignoriert werden.

Freudige Momente dagegen dürfen gern mit dem Patienten geteilt werden. Bedenkt, der Patienten kommt mit Problemen in die Praxis und möchte nicht noch eure Probleme obenauf bekommen.

Erste-Hilfe-Strategie überlegen

Zuerst unbedingt das Gespräch mit den Kollegen suchen. Klären was notwendig ist. Sollte es nicht möglich sein Überreaktionen vermeiden und nachdenken ob das Handeln angemessen ist. Schließlich soll das Arbeitsverhältnis nicht belastet werden. Deshalb ist es wichtig zu lernen seine eignen Gefühle zu kontrollieren.

Tipps für den Arbeitgeber

Der Sache gewachsen fühlen

Es besteht kein Grund, aus Pflichtgefühl ein Gespräch zu suchen. Authentisch und ehrlich mit der Situation umgehen, sonst ist ein Gespräch für beide Seiten unangenehm. Gibt es Grund zur Sorge dann Fragen wem der Mitarbeiter vertraut – sei es in der Praxis oder privat. Ein Gespräch kann hier schon helfen.

Ist Zeit sich darum zu kümmern

Wenn es sich um ein Arbeitsproblem handelt, das Gespräch in jedem Fall während der Arbeitszeit führen. Man muss nicht der Psychologe in der Mittagspause der Mitarbeiter sein. Einen Termin anbieten, der beiden gut passt.

Auf den Kollegen zugehen

Eine wichtige Aufgabe von Führungskräften ist es, Schutz zu bieten. Bricht ein Mitarbeiter vor anderen in Tränen aus, zum Beispiel im Teammeeting, sollte abgeklärt werden, ob der Mitarbeiter vor den anderen darüber sprechen will. Falls nicht, danach fragen was jetzt gebraucht wird und sogar verschiedene Optionen aufzeigen. Es hilft hier anzubieten wo, wie und mit wem die Ursache dieses emotionalen Ausbruchs zu klären wäre. Im Team nur das klären, was das Team angeht, persönliches und die eigene Arbeit betreffendes besser im Einzelgespräch.

Das Gespräch

Befindet man sich in einem geschützten Raum, ist es möglich den Mitarbeiter direkt auf den Grund der Tränen ansprechen. Das muss aber nicht sein. Eventuell ist es besser sich zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Gespräch zu verabreden. Auch wenn es den Anschein erweckt das der Mitarbeiter bereits schon eine lange Frustrationsphase durchmacht und öfters den Tränen nahe ist. Ein Termin an einem ruhigen und ungestörten Ort hilft hier mehr.

Vertraulichkeit

Mitarbeiter haben oft große Angst, dass etwas in den Personalakten landen könnte. Wichtig ist zu zeigen das man sich offen unterhalten kann. Erst zuhören das Problem erzählen lassen.

Geduld

Nachfragen, wenn etwas nicht nachvollziehbar ist. Aber nicht argumentieren. Oft werden Menschen wieder emotional, wenn das Problem im Gespräch nochmals durchgegangen wird. Es kann auch sein das die Gefühle, die sich hinter den Tränen des Mitarbeiters verbergen unmittelbar übertragen werden. Ist der Mitarbeiter traurig, gekränkt, wütend oder peinlich berührt, kann das auch Trauer, Kränkung, Wut, oder Scham auslösen. Beim Sortieren helfen. Was muss privat geklärt werden, was im Team oder mit dem Vorgesetzten. Zum Abschluss überlegen welche Inhalte des Gesprächs weitergegeben werden dürfen und wie die nächsten Schritte aussehen.

Auf Vorwürfe vorbereiten

Stellt sich heraus, dass bspw. das Selbstwertgefühl des Mitarbeiters durch die Führungskraft verletzt wurde, ist es für beide Seiten schwierig, auf der Verhandlungsebene zu bleiben. Unbedingt sollte hier die Rolle als Führungskraft klar sein und diese von der persönlichen getrennt. Als Führungskraft muss man in der Lage, sich die Vorwürfe ruhig anzuhören und abzuwägen, ob diese berechtigt sind. Danach kann man die eigene Sicht schildern und erklären, wie man die Situation vielleicht anders sehen und bewerten könnte. Danach sollten beide gemeinsam überlegen, wie das Problem zu lösen oder was zu ändern ist. Wird es zu schwierig, besteht die Möglichkeit einen neutralen Dritten zur Konfliktmoderation hinzuzuziehen.

 

Wie geht meine Geschichte zu Ende: Ich habe die Praxis verlassen – aber aus einem anderen Grund. Wir sind ins Ausland gezogen. Doch früher oder später wäre ich gegangen. Den innerlich hatte ich schon lange gekündigt. Zudem kam das der Praxiseigentümer selbst sehr konfliktscheu ist. Ein wunderbarer Mensch, Behandler und Praxisinhaber – leider nicht fähig 70 Mitarbeiter so zu führen, wie es oft notwendig gewesen wäre. Das ist nun schon ewige Jahre her. Große und kleine Praxen, egal. Treten Konflikte auf und die Emotionen kochen hoch – regelt es vor Ausbruch. Ich war selbst noch zu jung und es gab keinen Ansprechpartner zu der Zeit.

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